In der heutigen Arbeitswelt stehen Unternehmen vor der Herausforderung, den Anforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden. Eine zentrale Frage in diesem Kontext ist, ob Gehaltsabrechnungen zwingend in Papierform versandt werden müssen, oder ob die Arbeitgeber auch die Möglichkeit haben, diese elektronisch bereitzustellen. Eine kürzlich ergangene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) könnte dieser Debatte eine neue Wendung geben.
Im konkreten Fall stellte ein Lebensmittel-Discounter die Gehaltsabrechnungen einer klagenden Verkäuferin ausschließlich in einem digitalen Mitarbeiterpostfach zur Verfügung. Der Zugriff auf die Daten war passwortgeschützt und somit nur für autorisierte Personen möglich. Diese Regelung war ab dem 1. März 2022 gemäß einer Konzernbetriebsvereinbarung die einzige Option für den Zugriff auf die Abrechnungen. Die betreffende Mitarbeiterin machte geltend, dass sie ihre Abrechnungen weiterhin in Papierform zugesendet bekommen wolle, und erhob Klage.
In der vorhergehenden Instanz, vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG), hatte die Klägerin zunächst Erfolg. Das Gericht entschied am 16. Januar 2024, dass die Entgeltabrechnungen über das Online-Portal nicht ordnungsgemäß erteilt worden seien. Laut der Entscheidung handele es sich um zugangsbedürftige Erklärungen, und das Online-Mitarbeiterpostfach könne lediglich dann als geeignete Empfangsvorrichtung betrachtet werden, wenn der Empfänger diese ausdrücklich für den Empfang von Erklärungen bestimmt habe – was in diesem Fall nicht zutraf.
Jedoch stellte das BAG in seiner Entscheidung vom 28. Januar 2025 fest, dass die Bereitstellung der Gehaltsabrechnung auf einer Online-Plattform grundsätzlich der von § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO geforderten Textform genüge. Der Senat definierte den Anspruch auf Abrechnung des Entgelts als eine Holschuld der Arbeitnehmer. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur Bereitstellung der Abrechnung nachkommen kann, ohne für den Zugriff der Beschäftigten auf diese Informationen verantwortlich zu sein. Das BAG stellte jedoch klar, dass bei dieser Bereitstellung die Belange von Beschäftigten, die keinen Online-Zugriff haben, nicht unbeachtet bleiben dürfen.
Zudem kam das BAG zu dem Schluss, dass die Konzernbetriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG die Rechte der Arbeitnehmer nicht unverhältnismäßig einschränkt. Allerdings sah sich das Gericht aufgrund fehlender Feststellungen der Vorinstanzen gehindert, eine abschließende Entscheidung zu treffen. Es bleibt abzuwarten, inwiefern das LAG Niedersachsen nun prüfen wird, ob die Einführung und der Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen.
Die vorliegende Entscheidung des BAG stellt somit einen wichtigen Schritt in der Diskussion um die Digitalisierung von Gehaltsabrechnungen dar und könnte weitreichende Folgen für die Praxis in deutschen Unternehmen haben. Es bleibt zu hoffen, dass eine balancierte Lösung gefunden wird, die sowohl den Erfordernissen der Digitalisierung als auch den Rechten der Arbeitnehmer gerecht wird.
BAG, Urteil vom 28.01.2025 – 9 AZR 48/24