Außerordentliche Kündigung Vorstand wegen Weiterleitung vertraulicher Informationen an private E-Mail Adresse

In einem kürzlich ergangenen Urteil hat das Oberlandesgericht (OLG) München die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung und Abberufung eines Vorstandsmitglieds bestätigt, das vertrauliche E-Mails an seinen privaten Account weitergeleitet hatte. Die Entscheidung beleuchtet praxisrelevante Fragestellungen zur Verschwiegenheitspflicht, Legalitätspflicht und zum Umgang mit sensiblen Daten durch Führungspersonen. Hier sind die wichtigsten Aspekte des Urteils und deren mögliche Auswirkungen auf künftige Fälle.

1. Hintergrund des Falls

Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft hatte beschlossen, ein Vorstandsmitglied außerordentlich und fristlos zu kündigen sowie dessen Bestellung aus wichtigem Grund zu widerrufen. Der Anlass: Der Vorstand hatte innerhalb von zwei Monaten neun betriebsinterne E-Mails an seine private E-Mail-Adresse weitergeleitet. Diese E-Mails betrafen sensible Themen wie Provisionsansprüche, Gehaltsabrechnungen und interne Vorstandsstreitigkeiten.

Der betroffene Vorstand wehrte sich gegen seine Abberufung und Kündigung, und der Fall landete schließlich vor dem OLG München, das die Maßnahmen des Aufsichtsrats für wirksam erklärte.

2. Die Einhaltung der Kündigungsfrist gemäß § 626 BGB

Das OLG prüfte zunächst, ob die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten wurde. Die Frist beginnt ab dem Zeitpunkt, zu dem das für die Kündigung zuständige Organ von den Umständen Kenntnis erlangt, die zur Kündigung berechtigen.

Im Fall des Vorstandsmitglieds wurde die E-Mail-Weiterleitung Ende September 2021 entdeckt. Am 11. Oktober 2021 beschloss der Aufsichtsrat die Kündigung und Abberufung, sodass die Kündigung dem Kläger nur zwei Tage später zuging – innerhalb der gesetzlichen Frist.

Das OLG prüfte auch, ob ein Vorverlegen der Frist erforderlich gewesen wäre, falls einzelne Aufsichtsratsmitglieder bereits vorher von den Umständen gewusst hätten. Hierzu erklärte das Gericht jedoch, dass eine „sichere und umfassende Kenntnis“ vorliegen müsse, was im vorliegenden Fall nicht gegeben war. Entscheidend sei die Kenntnis des gesamten Gremiums, das erst am 11. Oktober zusammentrat.

3. Liegt ein „wichtiger Grund“ zur Kündigung vor?

Für die außerordentliche Kündigung und Abberufung ist ein „wichtiger Grund“ erforderlich, der die weitere Zusammenarbeit unzumutbar macht. Das Gericht prüfte dies unter mehreren Gesichtspunkten:

a) Verschwiegenheitspflicht

Das OLG stellte fest, dass durch die Weiterleitung der E-Mails keine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gemäß § 93 Abs. 1 AktG vorlag, da die Inhalte nicht an Unbefugte gelangt oder anderweitig verwertet worden waren. Allein die Speicherung auf einem privaten Server reichte laut Gericht nicht aus, um eine Offenbarung an Dritte anzunehmen.

b) Legalitätspflicht und Verstoß gegen die DSGVO

Das OLG bejahte jedoch einen Verstoß gegen die Legalitätspflicht, da der Kläger gegen Datenschutzvorgaben der DSGVO verstoßen habe. Die Weiterleitung der E-Mails an die private Adresse war weder durch die Einwilligung betroffener Personen gedeckt noch zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich. Da die E-Mails sensible Informationen enthielten und der Verstoß mehrfach erfolgte, sah das OLG hierin einen schwerwiegenden Verstoß, der die außerordentliche Kündigung rechtfertigte.

4. Interessenabwägung – Entscheidung des Gerichts

In der abschließenden Abwägung berücksichtigte das OLG zugunsten des Klägers seine bisher tadellose achtjährige Tätigkeit und den Umstand, dass keine Dritten von den Daten Kenntnis erhielten. Das Gericht sah jedoch die Vertraulichkeit als nachhaltig gestört an, da das Vorstandsmitglied anscheinend gezielt Daten gesammelt hatte, möglicherweise für spätere Haftungsansprüche gegen die Gesellschaft.

Besonders relevant für die Praxis: Das OLG deutete an, dass bei einer Restlaufzeit von elf Monaten eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar sei. Diese klare Aussage könnte in zukünftigen Kündigungsfällen zugunsten von Arbeitgebern herangezogen werden.

5. Widerruf der Bestellung – § 84 AktG

Das OLG bekräftigte, dass ein „wichtiger Grund“ nach § 626 Abs. 1 BGB zugleich einen wichtigen Grund für den Widerruf nach § 84 Abs. 4 AktG darstellt. Dies bedeutet, dass bei einem Kündigungsgrund meist auch die Bestellung widerrufen werden kann, was in der Praxis zu einer Vereinfachung für Aufsichtsräte führen dürfte.

Fazit: Wegweisendes Urteil für den Umgang mit Vorstandsmitgliedern und Datenschutzverstößen

Das Urteil des OLG München verdeutlicht, wie wichtig es für Führungskräfte ist, die Legalitätspflichten und insbesondere datenschutzrechtliche Vorgaben streng einzuhalten. Ein Missbrauch von Daten, insbesondere im Kontext vertraulicher Informationen, kann zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses und der Abberufung aus dem Amt führen. Zudem betont das Urteil, dass bei Vorstandsmitgliedern keine Abmahnung erforderlich ist, da diese als Organmitglieder eine besondere Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft haben.

In der Praxis stärkt das Urteil die Position von Aufsichtsräten, insbesondere wenn sensible Daten oder Verstöße gegen die DSGVO im Raum stehen. Unternehmen sollten sicherstellen, dass ihre Führungskräfte regelmäßig über ihre Pflichten informiert werden, um derartige Konflikte möglichst zu vermeiden.

OLG München Endurteil vom 31.7.2024 – 7 U 351/23e

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